Международное Евразийское Движение
Texten | Ueber Neo-Eurasismus in Russia | Jens Fischer | 22.07.2002
    31 августа 2002, 14:47
 
Originaltext am Eurasischer Magazine
„Eurasismus: eine Option russischer AuЯenpolitik?“
22.07.2002

Gelesen:

„Eurasismus: eine Option russischer Außenpolitik?“

von Jens Fischer
Berlin 1998, 318 Seiten (inkl. Quellenverzeichnis, Personen- und Sachregister),
Berlin Verlag, EUR 40.-

Die 1998 erschienene Dissertationsschrift von Dr. Jens Fischer war die erste wissenschaftliche Arbeit, die sich eingehend mit dem Aufkommen des Eurasismus in Rußland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von 1991 auseinandersetzte.

Seit ihrer Veröffentlichung sind vier Jahre vergangen, doch das Thema „Eurasien“ hat nichts an Brisanz in der Debatte zur russischen Außenpolitik verloren. Zum Verständnis aktueller Entwicklungen in Rußland, wie beispielsweise der Gründung der Partei „Eurasien“ (EM 02/2002), ist Fischers Arbeit von unersetzlichem Wert.

Als Eurasisimus bezeichnet der Autor eine Strömung innerhalb des politischen Spektrums der Russischen Föderation, die sich für eine eurasische Außenpolitik ihres Landes einsetzt. Eurasische Außenpolitik bedeutet in diesem Zusammenhang eine auf die Staaten der GUS, nicht auf den ganzen eurasischen Kontinent focusierte Außenpolitik.

Auf hohem analytischen Niveau diskutiert Fischer die Durchsetzungschancen einer eurasischen außenpolitischen Programmatik der Russischen Föderation auf nationaler und internationaler Ebene. Besonderes Gewicht legt er hierbei auf die Akzeptanz des Eurasismus in der russischen Bevölkerung sowie auf die Auswirkungen einer eurasischen Außenpolitik auf die internationale Stellung der Russischen Föderation. Ferner wird auf die historische Entwicklung der Eurasismus-Theorie eingegangen: von ihrer erstmaligen Ausformulierung durch russische Emigranten in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis zum Wiederaufkommen eurasischer Argumentationsmuster im postsowjetischen Rußland. Das Abschlußkapitel erörtert schließlich die möglichen Folgen, die eine intensivierte Eurasienpolitik seitens Rußlands auf den europäischen Einigungsprozeß haben könnte.

Die Ziele der Eurasier definiert der Autor folgendermaßen: Eurasier sind entschiedene Gegner einer westlichen, slawophilen oder bolschewistischen politischen Ausrichtung der Russischen Föderation. Ihr Hauptanliegen ist es, die Verwestlichung von Kultur und Außenpolitik Rußlands zu beenden und das traditionelle Übergewicht asiatischer Einflußfaktoren wiederherzustellen. Während der 700 Jahre seit der Einigung Eurasiens durch den Mongolenführer Dschingis Khan und der Gründung des Russischen Reiches auf dem Territorium des untergegangenen Mongolenreiches haben nach Überzeugung der Eurasier asiatische Kulturtraditionen einen ungleich größeren Einfluß auf das Leben der eurasischen Völker gehabt als westeuropäische. Von zentraler Bedeutung für die Verwestlichung Rußlands seien die Herrschaftszeit Peters des Großen, die bolschewistische Machtübernahme 1917 und der Eintritt in das westlich-internationale Finanzsystem nach dem Ende der Sowjetära gewesen.

Die zentrale These der Dissertation lautet: eine eurasienzentrierte Außenpolitik Rußlands würde den eurasischen Kontinent nach dem Ende des Kalten Krieges erneut in einen östlichen und einen westlichen Teil spalten. Fischer geht davon aus, daß Eurasismus als Handlungsmaxime russischer Außenpolitik den Integrationsprozeß innerhalb der Europäischen Union beschleunige, was dann im Gegenzug die Kooperationsbereitschaft der GUS-Staaten mit Rußland beträchtlich erhöhen würde. Auf diese Weise würden zwei sich gegeneinander abschottende Integrationszentren in Eurasien entstehen, befürchtet der Autor.

Das Resümee Fischers ist gespalten. Einerseits berge der Eurasismus die Gefahr einer außenpolitischen Isolation Rußlands in sich. Andererseits sieht der Verfasser im Eurasismus diejenige Ideologie, die am besten dazu geeignet ist innerhalb des extrem polarisierten Meinungsspektrums in Rußland einen Grundkonsens herzustellen und der Russischen Föderation eine neue, gesellschaftlich akzeptierte außenpolitische Identität zu verleihen.

Jedem, der sich für den außenpolitischen Diskurs in Rußland oder allgemein für Perspektiven eurasienweiter Zusammenarbeit interessiert, kann das Buch vorbehaltslos zur Lektüre empfohlen werden.

Ein Interview mit Dr. Jens Fischer erscheint in der nächsten Ausgabe des Eurasischen Magazins.

Der Autor:

Dipl.-Vw. Dr. Jens Fischer (geb. 1967) studierte Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie an der Universität Köln. Er promovierte in Jena und Gießen und arbeitet heute als selbständiger Unternehmensberater, freiberuflicher Publizist und Lehrbeauftragter für Internationale Politik an der Universität Dortmund (Habilitation).

Hartmut Wagner



  
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